Bericht aus Der Kreisel

Ein Reisetagebuch

„Is It Really Wonderful?“

Foto eingeliefert von Jürgen Münster, © ungeklärt

SONNTAG 25. APRIL 1976
Abfahrt ab Stone Castle Richtung Travemünde, ½ Std. vor Montag. Unser Busfahrer heißt „Tony, einfach Tony, nicht Taxi-Tony“. Stammt aus Norditalien, fährt Bj.69-Setra.

MONTAG 26. APRIL 1976
Erste Rast in Hannover, Rainer S, kann sich nicht verkneifen, auf dem Rücken eines steinernen Hammels Platz zu nehmen. 7 Uhr Ankunft Travemünde, Fähre geht um zehn. Da Tony schläft, keine Möglichkeit, im Bus zu warten; in Morgensonne im Hafengebiet spazierengegangen. 10 Uhr Abfahrt, Viertelstunde in stickigen Schiffsrumpf geblieben, dann an Deck. Butter und Tabak billig, Schokolade und Getränke verflucht teuer. Schnaps billiger als in Dänemark – von vielen Schnapsnasen ausgenutzt. Mittags Landung in Gedser. Gegen 17 Uhr Eintreffen in KØBENHAVN (dänisch für Kopenhagen). Tony hat Streit mit Kreisverkehr (Tony, noch ’ne Runde!), dann doch noch zurecht gefunden: Hvidovere-Avedøre, Vorort mit Industrie. Mitten in der Pampas. „Jugend-Hostel“ entpuppt sich als Barrackenlager. Tony’s Kommentar: „unser Konzentrationslager“) Einhellige Meinung: Auffanglager Friedland ist komfortabel dagegen.

Dieser Text wurde veröffentlicht in:

Der Kreisel Oberhausen 1976 (Jg.xx Heft 2) S.11-21

Der Beitrag erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Nächste Überraschung: Zimmerschlüssel – Verzeihung – Zellenschlüssel und Papierbettwäsche nur gegen 10 Kronen Kaution. Da die Barrackenwände aus Rigipsplatten bestehen, tritt jemand dagegen, um Festigkeit zu prüfen: Resultat: 50 cm großes Loch.

DIENSTAG 27. APRIL 1976
Entschlossen, wegen des kürzeren Wegs das Mädchenpissoir (!!!!) auf unserem Flur zu benutzen, da keine Mädchen im Block wohnen.

Keine Duschvorhänge, k.u.sp.fl.w.W. (kaltes und sporadisch fließendes warmes Wasser), d. h, warmes Duschen nur mit viel Glück. Klos nicht verschließbar.

Frühstück: nur gegen Frühstückskarte: 2 Scheiben Toastbrot, 1 Scheibe Mini-Schwarzbrot, 15 g Butter, 20 g Marmelade, 12 g grüner, roter oder gelber Schmelzkäse (nicht von Farben-Hoechst, sondern von BUKO), ¼l Vollmilch, 1 Becher „Kaffee“ (wahrscheinlich ein Übersetzungsfehler, - er hatte mit unserem deutschen Kaffee nur die braune Farbe und die Hitze gemein) mit Trockenmilch, 1 Plastikbecher, 1 Plastiklöffel, 1 Plastikmesser, 1 Pappteller. Gebrauchsanweisung: Nach Gebrauch in Müllbeutel kippen.

Getränke und Einweg-Imbiß-Teller sehr teuer in der Cafeteria.

9 Uhr: Stadtrundfahrt, warten auf Führerin, häufigster Satz (ca. 30x/Std.): „auch dieses Gebäude stammt von unserem baufreudigen Königchristiandemvierten.“

An der Meerjungfrau Fotopause, Klaus S. spielt BH (BusenHalter). Wachablösung gesehen. Auf dem Schloßvorplatz Standbild. Bei der Abfahrt: „Tooniii, noch ne Runde!!“ (hat er auch gemacht).

Nachmittags bei Tussaud‚ unseren-baufreudigen-königchristiandemvierten’ als Wachsfigur gesehen. Außerdem: Frankenstein, Kojak, Ford, Kissinger, Liza Minelli, H.C.Anderson, Chef Ironside, Wilson, Sophia Loren u.a.m.

MITTWOCH 28. April 1976
Technisches Museum und Helsingør: Herr Stolz und Tony machen Kraftprobe mit Eisenring aus Lokomotive, Stephan P. turnt auf Schornstein herum. Im Museum wird Gruppe von Schulklasse umschwärmt (12 Jahre im Durchschnitt) und um Autogramme angehaun. Auf Handflächen geschrieben, da zufällig keine Autogrammpostkarten zur Hand. Sogar Tony unterschrieb – die Jugend mag wieder Idole im reiferen Alter...

In Helsingør riesige Eishörner (mind. 25 cm lang). Tutorengruppe Settegast-Stolz vollzählig zum Eisfassen angetreten... samt Tutoren!!! Eigenart des Ortes: Hier fährt die Eisenbahn über Stadtstraßen (natürlich sind Schienen im Fahrdamm).

DONNERSTAG 29. APRIL 1976
Besuch Danmark Akvarium. Besonderheit: nachgebildeter tropischer Regenwald mit Piranhas. Weiteres: Schildkröten, Minihaie, Muränen, Langusten, Heringe, Rollmöpse.

Nachmittags mit Hamburger Lagerinsassen Fußball gespielt. Nieselregen.

FREITAG: 30. APRIL 1976
Ausflug nach Roskilde. Alter Dom (sehr schön!) und Wikingerschiffshalle besichtigt. (Da werden Schiffsteile zusammengebastelt, die man aus dem Roskilde-Fjord gebuddelt hat.) Reiseleiterin Elfi Christiansen (Wienerin mit dän. Ehemann) erzählte unaufhörlich von ihren Buben, den dänischen Sitten und Unsitten und Brauereien. Von ihr wissen wir, daß das Hostel eine ehemalige Gastarbeitersiedlung ist.

SAMSTAG: 1. MAI 1976
Vormittag: Museen, Glyptohek. Marmorfiguren Brille aufgesetzt. Nachmittag: TIVOLI (Tag der diesjährigen Eröffnung) Anlage: sehr schön, vor allen Dingen bei Nacht. Amüsiermöglichkeiten: NICHTS gegen Sterkrader Fronleihnamskirmes. Von allen Seiten rätselhafter Schlachtruf „dääh-oh“. Kurz vor Mitternacht großes Feuerwerk. Musikkapellenumzüge am ganzen Tag.

SONNTAG: 2. MAI 1976
Abreisevorbereitungen, Museen

MONTAG: 3. MAI 1976
10 Uhr Abfahrt
13:45 Uhr Fähre nach Travemünde
Butter, Zigaretten und Schmaps gekauft Nichtraucher für Raucher ‚legal geschmuggelt‘. 23 Uhr Ankunft in Oberhausen.

Im Namen der Kopenhagenfahrer
Ulf Froitzheim