Abschlussbericht Projekt Koloniebildung (1999)

II. Theorieansatz und Methoden

Theorieansatz der Untersuchung

Für die Durchführung des Untersuchungsvorhabens wurde ein theoretisches Modell entwickelt — und im Projektverlauf fortwährend weiteren Anpassungen unterzogen —, das erstens dazu dienen sollte, die lokal vorgefundene Situation in Hannover in den breiteren Kontext einer Analyse der Migrationssituation in der BRD zu stellen. Zweitens fand hierbei die notwendige Klärung und Ausformulierung des eigenen Vorverständnisses vom Untersuchungsgegenstand in der Projektgruppe statt.

Anfänglich stützte sich das theoretische Modell wesentlich auf drei Quellen: 1. auf eine Kritik der gängigen, meist modernisierungstheoretischen Analysen zur Rolle der Ethnizität in „fortgeschrittenen Industriegesellschaften“, 2. auf den Elias'schen Ansatz der „Etablierten/Außenseiter-Figuration“ und 3. auf eine Auseinandersetzung mit der ethno-soziologischen ethnicity-Debatte. Diese drei Ansatzpunkte sollen hier noch einmal kurz dargestellt werden.

Kritik modernisierungstheoretischer Ansätze
Da in den gängigen modernisierungstheoretischen Gesellschaftsentwürfen ethnischen Unterscheidungsmerkmalen gegenüber dem als zentral definierten Prinzip der funktionalen Differenzierung bloß noch marginale Bedeutung zukommen, hat das in den 80er und 90er Jahren zu konstatierende Fortdauern, ja Wiederaufleben ethnischer Differenzierungen in einer durchgängig modernisierten Gesellschaft wie der bundesdeutschen eine heftige Kontroverse unter den Gesellschaftstheoretikern ausgelöst.[12] Während die Mehrheitstendenz dahin geht, dieses Phänomen als ein letztes Aufbäumen vormoderner Strukturen zu behandeln, denen man „konstitutive Belanglosigkeit“[13] attestiert, wird in der Regel gleichzeitig zugestanden, daß die Bildung ethnischer communities in den Industrieländern als Durchgangsschleuse dienen mag, die noch unvollständig modernisierte Zuwanderer aus der Peripherie sozial stabilisiert, bis das System sie vollständig aufnehmen kann.[14]

Pointiert gesagt, wird der Rückzug in ethnische Vergemeinschaftungen als temporärer Behelf, als eine Art psychische ‚Krücke‘ für die Entwurzelten im Prozeß der Modernisierung gewertet. Damit wird fälschlicherweise ein strukturelles Defizit (sei es kulturell, modernitäts- oder zivilisationstheoretisch gedacht) unterstellt, das die MigrantInnen aus ihrer Herkunftsgesellschaft mitbrächten bzw. qua Sozialisation der nachfolgenden Generation perpetuierten. Referenzpunkt für das Projekt war hingegen ein Ansatz, der von der Einsicht ausgeht, daß Stellung und Problematik der MigrantInnen in der Aufnahmegesellschaft zuallererst einer Aktivität der Eingesessenen entspringen und nicht einer vorgängigen Differenz. Es gehörte daher zu den Basisannahmen unseres Ansatzes, daß die Bildung ethnischer Minderheiten einem wechselseitigen Prozeß von „Ethnisierungsdruck“ seitens der Mehrheitsgesellschaft und reaktiver „Selbstethnisierung“ seitens der Ausgegrenzten geschuldet ist, wobei der Begriff „wechselseitig“ nicht mit „symmetrisch“ verwechselt werden darf.[15]

„Etablierte und Außenseiter“ bei Norbert Elias
Elias' Konzept der „Etablierten/Außenseiter-Figuration“[16] ist dazu geeignet, die die Ethnisierungsthese in einen größeren theoretischen Zusammenhang zu stellen, da hiermit Formen ethnischer Abschließung und Diskriminierung als eine unter anderen Varianten von Etablierten-Außenseiter-Beziehungen allgemein abgebildet werden können.[17] Der gemeinsame Grundgedanke ist, daß die Dynamik zwischen Etablierten und Außenseitern relativ unabhängig von Wesenunterschieden der Beteiligten ist. Als zentral ist vielmehr ein Machtgefälle anzusetzen, aufgrund dessen die Etablierten die Außenseiter dauerhaft erfolgreich stigmatisieren können. Elias' „Stigma“-Begriff ist dabei nicht mit „Vorurteilen“ zu verwechseln, da Stigmatisierungen keine individuellen, sondern Gruppenvorgänge sind.[18] Besonders interessant ist, daß der Prozeß der Gemeindebildung seitens der Außenseiter ihnen eigene Quellen von „Gruppencharisma“ erschließt und eine „Gegenstigmatisierung“ erlaubt.[19] Das gegenwärtige Klima einer Verstärkung latent bis offen rassistischer Einstellungen bei breiten Teilen der alteingesessenen Bevölkerung in der BRD könnte in diesem Zusammenhang als Symptom einer Verringerung der der Ethnisierung zugrundeliegenden Machtdifferenz gedeutet werden. Was hieße, daß die allmähliche Herausbildung einer deutlich wahrnehmbaren Aufsteigerschicht aus erfolgreichen türkischstämmigen Selbständigen, AkademikerInnen, HausbesitzerInnen etc. nicht Integration und Konfliktminderung, sondern gerade Spannungen und aggressivere Stigmatisierungsformen hervorruft.

Die Debatte um den Begriff ethnicity
Der dritte Pfeiler des Konzeptes ruhte auf einer Auseinandersetzung mit der ethno-soziologischen ethnicity-Debatte, die vom Barth'schen Ansatz her rezipiert wurde. Die Untersuchung ethnischer Gruppen bedeutet in diesem Verständnis eben nicht, Kulturen zu untersuchen, die ‚naturwüchsig‘ jeweils spezifische Träger hätten, vielmehr ist der Akt der sozialen Grenzziehung selbst als konstitutiv anzusehen.[20] Dies darf jedoch nicht mit einer Bedeutungsloskeit kultureller Prägungen überhaupt verwechselt werden, haben doch insbesondere die Untersuchungen Schiffauers die Relevanz solcher Prägungen für MigrantInnen in der BRD deutlich gezeigt.[21] Insgesamt ist von einem flexiblen Umgang — etwa im Sinne der bricolage Lévi-Strauss' — mit diesen sozio-kulturellen Beständen auszugehen.[22] Dies gilt auch für die Religion: die Rückbesinnung auf den Islam — meist unter dem Stichwort „Fundamentalismus“ diskutiert —, sollte daher vorrangig unter dem Gesichtpunkt der Nutzung des religiösen Bekenntnisses als Distinktionsmerkmal gesehen werden oder, um es mit Elias zu sagen, als selbstkontrollierter Zugang zu Gruppencharisma und Befähigung zur Gegenstigmatisierung.[23] In diese Richtung weisen z. B. auch die neueren Arbeiten von Sigrid Nökel.[24]

Das aus diesen drei divergierenden Ansätzen zusammengefügte, komplexe Modell hat sich zur Analyse der Migrationssituation in der BRD grundsätzlich bewährt, es zeigte sich aber in der Annäherung an die konkrete Situation vor Ort, daß es nicht überall greift. So hatten wir ausgehend von dem Modell als Arbeitshypothese formuliert, daß dem community-Bildungsprozeß eine tiefe Ambivalenz innewohne, was sich u. a. daran zeige, daß er — obschon in Reaktion auf Stigmatisierungserfahrungen geboren — die Gefahr in sich berge, daß das Stigma in ihm reproduziert und verfestigt wird, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Als — wie sich herausstellte, nicht hinreichend geprüfte — Voraussetzung floß in diese Hypothese die selbstverständliche Annahme ein, daß die Anfänge der community im zu untersuchenden Fall bei den ArbeitsmigrantInnen zu suchen sind, die bekanntlich als „Gastarbeiter“ eine Position am untersten Rand der sozialen Statuspyramide in der BRD zugeteilt bekamen.

Zu unserer Überraschung erwies sich jedoch bei den historischen Recherchen, daß die Anfänge der türkischen community in Hannover lange vor den Abschluß des deutsch-türkischen Anwerbevertrages im Oktober 1961 zurückreichen. Und zwar waren diese Anfänge in den 50er Jahren studentisch gewesen: Es waren überwiegend Ingenieursstudenten, die schon 1957 eine bald einhundertköpfige „türkische Kolonie“ in Hannover bildeten. Wie uns ehemalige Studierende dieser Zeit eindrücklich schilderten, war ihre Situation in Hannover keineswegs von Stigmatisierungserfahrungen geprägt. Sie fühlten sich vielmehr als hoch geschätzte Gäste, die ihrem akademischen Status entsprechend ein beachtliches Maß an Beachtung durch Honoratioren und Institutionen erfuhren. Kurz: In Hannover existierten schon eingespielte Formen der Selbstorganisation und Repräsentation von Zuwanderern aus der Türkei, noch bevor dort der erste sog. „Gastarbeiter“ überhaupt angeworben wurde. Das Bild einer bloß reaktiven, defensiven community-Bildung wird dieser Situation nicht gerecht und erweist sich als zu eindimensional.

Der Cultural Studies-Ansatz / Stuart Hall
Es ist vor allem dem intensiven Gedankenaustausch mit den britischen Forschern David Morley und Kevin Robins[25] zu danken, daß das theoretische Modell durch Einbeziehung des Cultural Studies Ansatzes und speziell die hierfür grundlegenden Arbeiten von Stuart Hall[26] nochmals verbessert werden konnte. Halls wesentlicher Beitrag liegt in dem Konzept der „hybriden Diaspora-Identitäten“.

„Das Verständnis von Diaspora-Erfahrung, um das es mir geht, wird nicht von Essenz oder Reinheit bestimmt, sondern von der Anerkennung notwendiger Heterogenität und Verschiedenheit; von einem Konzept von ‚Identität‘, das mit und von — nicht trotz — der Differenz lebt, das durch Hybridbildung lebendig ist. Die Identitäten der Diaspora produzieren und reproduzieren sich ständig aufs Neue, durch Transformationen und Differenz.“[27]

Der Begriff „Hybridisierung“ ist als Prozeßkategorie zu verstehen, mit welcher die fragmentarischen und flüssigen Eigenschaften der kollektiven Identitätsbildung von ethnischen Minderheiten in der jeweiligen Hegemonialkultur[28] erfaßt werden sollen. Auf die Verhältnisse in der BRD übertragen heißt das, daß die kollektiven wie individuellen Identitäten der hier ansässigen Einwanderer aus der Türkei charakterisiert sind durch eine Ich- und Orts-Vielfalt, welche querliegt zu den purified identities einer imaginierten deutschen (aber auch türkischen) ‚Reinkultur‘. Folgt man Hall, so ist die Bildung von Diaspora-Gemeinschaften in diesem Sinne eben nicht als reaktive Abschottung bzw. Ghettobildung, sondern als aktive Auseinandersetzung mit der Mehrheitsgesellschaft zu charakterisieren. Die der kulturellen Hybridisierung innewohnenden Merkmale des Fragmentarischen und Prozeßhaften verweisen dabei auf ihre Abkunft aus der gesellschaftlichen Bewegung von Übereinstimmung, Nicht-Übereinstimmung und Widersprüchlichkeit. Dabei ist Ich- und Orts-Vielfalt grundlegend für den transkulturellen Übersetzungsvorgang der eigenen Erfahrungen des Türke-Seins bzw. des Türke-Sein-Sollens in die fremdkulturelle, sprich deutsche Sinnformation.

Die Integration dieses differenzierteren Ansatzes erwies sich gerade im Hinblick auf die Interpretation der vertieften Interviews der zweiten Projektphase als ein großer Gewinn. Grundsätzlich wäre der britischen Cultural Studies-Schule[29] eine breitere, gelegentlich allerdings auch eine etwas kritischere Rezeption[30] seitens der bundesdeutsche Migrationsforschung zu wünschen, da sie Ansätze liefert, die auch helfen könnten, die sterile Dichotomie von Integration versus Abschottung zu überwinden, die die gegenwärtige Diskussion lähmt.

Methoden — Planung und Praxis

Den oben formulierten beiden Leitfragen des Projekts entsprachen zwei separate Erhebungsphasen, die aufgrund je unterschiedlicher Zielsetzungen auch andere Anforderungen an das einzusetzende Methodeninstrumentarium stellten. Sie werden im folgenden gesondert dargestellt.

Recherchen zu den türkischen communities von Hannover
In der ersten Phase des Projekts, die vor allem auf eine systematische Erfassung „objektiver Daten“ zur Struktur der deutsch-türkischen Minderheit in Hannover zielte, sollte eine Kombination verschiedener, konventioneller Rechercheverfahren zum Einsatz kommen. So war geplant, durch gezielte Nachforschungen beim Vereinsregister, der kommunalen Melde- und Statistikstellen, beim türkischen Generalkonsulat und beim Arbeitsamt Hannover den Rahmen abzustecken, in welchem man sich bei nachfolgenden Expertengespräche mit Vereinsvorstände, SprecherInnen von Initiativen, UnternehmerInnen, ParteienvertreterInnen, LokalbesitzerInnen u.ä. bewegen würde. Da diese Gespräche leitfadengestützt durchgeführt werden sollten, mußte parallel zu diesen Recherchen mit der Erstellung der Leitfäden begonnen werden. Der Konzeption nach sollten diese Erhebungsetappe rasch abgeschlossen werden, damit man gut vorbereitet in die Expertengespräche einsteigen könnte.

In der Praxis erwiesen sich die Bemühungen, von seiten der Behörden, Wohlfahrtsverbände oder vom türkischen Konsulat umfassende Informationen zur deutsch-türkischen Mindernheit in Hannover zu erhalten, als vergeblich. So konnte beispielsweise keine Stelle Auskunft darüber geben, wieviele Moscheen es in Hannover gibt. Selbst dem Religionsattaché des türkischen Generalkonsulats in Hannover war nur die Hälfte aller Moscheen bekannt, die später ermittelt wurden. Deshalb mußten die zunächst nebenher geführten Recherchen im Vereinsregister beim Amtsgericht Hannover für einige Zeit ganz in den Mittelpunkt gestellt werden, um eine zuverlässige und aktuelle Aufstellung über alle türkischen Vereine in Hannover zu erhalten. Dies nahm mehrere Wochen in Anspruch, weil das Vereinsregister nur mittels einer alphabetischen Zettelkartei erschlossen ist. So mußten sämtliche circa 10.000 Karteikarten des Registers einzeln überprüft werden, ob es sich eventuell um eine Gründung durch MigrantInnen aus der Türkei handelt. Dabei wurden über 70 relevante Vereine ermittelt, von denen sich später jedoch viele als Karteileichen erwiesen. Von allen Vereinen wurden die wichtigsten Daten (Vereinszweck, Vorstand, Mitgliederzahl etc.) in eine Textdatenbank eingeben, die als Grundlage für alle weiteren Recherchen diente.

Ähnlich aufwendig gestaltete sich das Bemühen, verläßliche Zahlen zur versicherungspflichtigen Beschäftigung von türkischstämmigen Einwanderern in den letzten 40 Jahren zu erhalten. Das Arbeitsamt Hannover war nicht in der Lage, selbst entsprechende Statistiken über die Beschäftigung in den 50er, 60er und frühen 70er Jahren zu erstellen.[31] Stattdessen überließ man dem Bearbeiter die Original-Akten der Zeit zur eigenen Auswertung. Diese handschriftlichen Daten erwiesen sich allerdings teilweise als inkonsistent, so daß zusätzlich ein Abgleich mit den Statistischen Vierteljahresberichten der Stadt Hannover notwendig wurde.[32] Doch scheinen die Lieferungen des Arbeitsamt an die städtische Statistikstelle ebenfalls unzuverlässig gewesen zu sein. Insgesamt beanspruchte allein die Erstellung verläßlicher Arbeitsstatistiken über Wochen hinweg immer wieder Arbeitskapazität, konnte aber immerhin zufriedenstellend beendet werden.

Weniger erfolgreich verliefen die Bemühungen, die ökonomische Unternehmungen der Türkischstämmigen in Hannover zu erfassen. Es zeigte sich rasch, daß von offiziellen Stellen weder auf deutscher noch auf türkischer Seite Daten zu dieser Frage vorliegen. Der Handelsattaché des türkischen Generalkonsulats in Hannover verfügte nur über eine bruchstückhafte Adressensammlung von türkischstämmigen Geschäftsleuten, die offenbar einer seiner Vorgänger ohne großen Erfolg begonnen hatte. Er bedauerte, für eine echte Erhebung keine Ressourcen zu haben.

Aufgrund der wissenschaftlichen Kontakte mit Forschungsprojekten in anderen Städten mußte festgestellt werden, daß bisher noch in keiner bundesdeutschen Stadt eine vollständige Erhebung über die sogenannte „ethnische Ökonomie“ durchgeführt wurde, obwohl es Ansätze hierzu vom Zentrum für Türkeistudien (Essen) und vom Berliner Institut für Vergleichende Sozialforschung gibt.[33] In Hannover hatte der 1992 gegründete „Türkisch-Deutsche Club e.V.“ (Türkischer Unternehmerverband) anfänglich Pläne gehabt, eine Erfassung aller türkischstämmigen Unternehmer durchzuführen, um diese Datensammlung anschließend kommerziell als „Branchenbuch“ zu vermarkten; das Vorhaben scheiterte jedoch.

Für die Zwecke des Projekts wurde versucht, zumindest das vorhandene Datenmaterial zu bündeln. Es wurden daher die drei vorhandenen sog. Branchenbücher, die von konkurrierenden türkischen Verlagen herausgegeben werden, für Hannover ausgewertet. Der Ertrag war jedoch gering, da offensichtlich keiner der Verlage über Recherchekräfte im Raum Hannover verfügte. Um jedoch wenigstens die wichtigsten Unternehmen identifizieren zu können, wurde damit begonnen, systematisch Werbung im Umfeld der türkischen communities auszuwerten. Zusätzlich wurde das öffentliche Branchenbuch und das Adreßbuch der Stadt Hannover (Wirtschaftsteil) benutzt, um gezielt herausgehobene Berufsgruppen (Ärzte, Architekten, Ingenieure etc.) zu erfassen. Ergänzt durch mündliche Hinweise entstand so eine Textdatenbank mit circa 500 Einträgen, die einen gewissen Aufschluß über die enorme Vielfalt von Unternehmen und Dienstleistungen seitens Türkischstämmiger in Hannover erlaubt. Aus Gründen der notwendigen Konzentration der Ressourcen wurde diese Sammlung jedoch wegen zu geringer Effektivität im Frühjahr 1996 abgebrochen.

Da sich der datenorientierte Teil der Erhebung hinzog, wurden die ersten Gesprächskontakte angebahnt, noch bevor handfeste Ergebnisse vorlagen. Geplant war, im Schneeball-Verfahren von einem Insider/Experten zum nächsten zu gelangen, um so rasch zu einem Überblick über die gesamte Vereins- und Moscheenszene zu kommen. Tatsächlich jedoch erwies sich dies als viel schwieriger als vermutet. Praktisch keiner der GesprächspartnerInnen besaß einen Überblick, der über ihren jeweiligen Kreis an unmittelbaren Kontakten hinausging. Die Verkehrskreise auch der in Vereinen aktiven MigrantInnen erwiesen sich als fast hermetisch gegen einander abgeschottet. So blieb letztlich nur eine Intensivierung der Recherchen im Vereinsregister übrig, um an die erforderlichen Adressen und Kontakte zu gelangen.[34]

In den Monaten Oktober bis Dezember 1995 konnten Gespräche mit folgenden Personen und Institutionen geführt werden:

Nicht zustande kamen — trotz mehrfach wiederholter Anfragen — Gespräche mit dem Vorstand der Fatih-Moschee und einem freien Mitarbeiter verschiedener türkischer Tageszeitungen in Hannover.

Aus den Recherchen herausgenommen wurde der Bereich der Sportvereine, weil dieser Bereich zum Gegenstand einer separaten Studie gemacht wurde, die zugleich die Diplomarbeit der wissenschaftlichen Hilfskraft, Lars Hellriegel, bildete. Herr Hellriegel konnte für die Bearbeitung auf alle Unterlagen des Projekts zurückgreifen, führte darüber hinaus aber auch circa ein Dutzend eigener Interviews mit Vorständen von Sportvereine und anderen Experten. Die Arbeit wurde dem Ministerium 1997 separat zugeleitet.

Alle durchgeführten Gespräche wurden auf Band aufgezeichnet, zusammenfassend transkribiert und anschließend ausgewertet. Nur ein einem Fall (Millî Görüş-Moschee) wurde die Bandaufnahme untersagt, hier mußte auf schriftliche Gesprächsnotizen und ein Gedächtnisprotokoll zurückgegriffen werden. In methodischer Hinsicht war allerdings bei diesen Gesprächen immer wieder festzustellen, daß die erstrebte systematische Trennung zwischen personenorientiertem Tiefeninterview und sachorientiertem Expertengespräch kaum aufrechtzuerhalten war. Etliche dieser sog. „Expertengespräche“ verwandelten sich unter der Hand in quasi-biographische Interviews, manche von bis zu drei Stunden Dauer. Im nachhinein erwiesen sich diese biographischen ‚Abschweifungen‘ als sehr produktiv, da sie in der abschließenden Auswertung zur Absicherung der Ergebnisse herangezogen werden konnten.

Community und individuelle Lebensbewältigung / Problemzentrierte Interviews
Die Hauptphase der Untersuchung, die der Rolle institutionalisierter community-Angebote für die individuelle Lebensbewältigung gewidmet war, stellte andere methodische Anforderungen, da hier die subjektiven Ebenen der Gemeindestrukturbildung angesprochen wurden. Die Entscheidung für ein ausschließlich qualitatives Forschungsinstrumentarium lag in zweifacher Hinsicht nahe: Zum einen kommen qualitative Methoden dem bereits skizzierten Theoriehintergrund am weitesten entgegen. Zu anderen haben sich qualitative Methoden gerade auch im interkulturellen Kontext der Migrationsforschung gut bewährt und werden hier in wachsendem Maße eingesetzt (z.B. von Schiffauer[35], Gillespie[36], Yalçın-Heckmann[37], Schöning-Kalender[38]).

Qualitativ — im Sinne des „Interpretativen Paradigmas“ — zu verfahren, bedeutet notwendig auch, daß Repräsentativität im statistischen Sinne als Gültigkeitskriterium für die Verallgemeinerbarkeit der erzielten Ergebnisse weder angestrebt, noch sinnvoll anwendbar ist. Daß für qualitativ gewonnene Aussagen gleichwohl mit Recht der Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit, sprich Validität und Reliabilität, erhoben werden kann, ist Gegenstand einer ausufernden Literatur, die hier nicht weiter referiert werden braucht.[39]

Da dieser (Haupt)Teil des Projekts sich methodisch eindeutig dem „Interpretativen Paradigma“ zuordnet, kam ein lineares Ablaufmodell (Hypothesenbildung → Instrumentenkonstruktion → Erhebung → Auswertung) nicht in Frage. Vielmehr wurde in Anlehnung an die Grounded Theory von Glaser und Strauss[40] ein zirkuläres gewählt: Die Forschung beginnt — nach Reflexion und expliziter Ausformulierung des vorab gegebenen Wissensstandes, der in die Gestaltung des Interviewleitfadens einfließt — mit der Erhebung (d.h. hier: problemzentrierte Interviews), an die sich unmittelbar die erste Auswertung und neuerliche Hypothesenbildung anschließt, welche die weitere Gestaltung des Leitfadens bestimmt. Diese kumulativen Weiterentwicklung des Leitfadens — hergeleitet nach dem Konzept des theoretic sampling — hat sich gerade in Verbindung mit der Interviewmethode in Anlehnung an Witzel[41] im Projekt bewährt.

Schwierigkeiten ergaben sich hingegen mit der Fallauswahl. Die Stichprobenauswahl im Sinne des Grounded Theory kann weder en bloc noch vorab erfolgen, sondern muß sich sukzessive aus dem integrierten Erhebungs-Auswertungsprozeß ergeben. Allerdings werden die ersten InterviewpartnerInnen nach den Kriterien der theoretischen Vorklärung ausgewählt, bevor anschließend zum Konzept der empirisch fundierten maximalen/minimalen Fallkontrastierung übergegangen werden kann. Dieses Verfahren ist im Idealfall bis zur Erreichung theoretischer Sättigung der gewonnenen Kategorien und Bezüge fortzuführen.

Für den konkreten Fall dieses Projekt erwies sich allerdings das Verfahren nach Glaser und Strauss aufgrund erschwerter Bedingungen im Feld als nicht praktikabel. Es zeichnete sich nämlich schon früh ab, daß der integrierte Erhebungs- und Auswertungsprozeß auf Grundlage der innerhalb des Bearbeitungszeitraums zu realisierenden Anzahl von problemzentrierten Interviews nicht bis zum Erreichen der „theoretischen Sättigung“ voranzutreiben war, sondern aufgrund des vorgegebenen Finanzierungsrahmens zu einem früheren Zeitpunkt würde abgebrochen werden müssen. Um das sehr ergiebige Datenmaterial trotzdem sinnvoll interpretieren zu können, war daher eine Änderung des Konzepts unvermeidlich.

Statt also wie vorgesehen bei der Auswahl der InterviewpartnerInnen nach einer ersten Phase des theoretisch angeleiteten Samplings zum empirisch fundierten Sampling mittels Fallkontrastierung überzugehen, wurde nur das theoretisch ausgewählt Sample bis zum Schluß verfolgt. Hierbei war das Ziel, das Spektrum möglicher Zugangsweisen von MigrantInnen zur community so weit als möglich abzudecken. Damit wurde der Boden der Grounded Theory im strengen Sinne verlassen. Das angestrebte Ziel der qualitativen Erhebung, nämlich subjektive Lebensbewältigungsformen im Zusammenspiel mit den Angeboten ethnischer communities nachvollziehbar zu machen, sowie die individuelle Bedeutungsdimension zu erschließen, konnte dennoch eingelöst werden. Die Untersuchung verbleibt damit allerdings auf dem Niveau der komparativen Einzelfallanalysen, ohne die von der Methode der Grounded Theory angestrebte höhere theoretische Synthese durch empirische Kategoriensättigung erreichen zu können.[42] Der Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit, der für die in Teil V vorgelegten Ergebnisse gleichwohl erhoben wird, gründet sich vorrangig auf die Qualität der Auswertung, die in Anlehnung an das hermeneutische Verfahren nach Soeffner vollzogen wurde.[43] Kern bei dieser Auswertungsform ist die intensive Durchdringung der Einzelfälle, die nach Erfassung der jeweiligen Einmaligkeit im Individuellen auf ihre gesellschaftliche Dimension, die individualisierte Form des Allgemeinen abzielt.[44] Durch zusätzlichen Rückgriff auf die Methode der Paraphrasierung und methodischen Kommentierung nach Witzel wurde dabei die Identifizierung von Schlüsselstellen im Interview erleichtert.[45]

Durchführung und Auswertung der problemzentrierten Interviews
Überlappend mit der ersten Recherchephase konstituierte sich im Oktober 1995 eine Arbeitsgruppe, die unter Einbezug studentischer MitarbeiterInnen die Aufgabe in Angriff nahm, einen Interviewleitfaden für die problemzentrierten Interviews zu erstellen. Es erwies sich hierbei als sehr vorteilhaft, daß der Bearbeiter als Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft bereits zwei Lehrveranstaltungen für mittlere und fortgeschrittene Semester zum Thema „Ethnische Kolonien in der BRD“ durchgeführt hatte. So konnten für die Leitfaden-Arbeitsgruppe vier studentische MitarbeiterInnen, darunter zwei türkischstämmige, gewonnen werden, die bereits über einschlägige Kenntnisse verfügten.

Der Leitfaden wurde im Januar 1996 vorläufig fertiggestellt, in einem Probeinterview getestet und weiter modifiziert. Für die Übertragung ins Türkische konnte Türkischlehrer Ali Rıza Aksoy gewonnen werden, der auch weiterhin während des gesamten Jahres 1996 als Berater auf Werkvertragsbasis regelmäßig an Besprechungen teilnahm. Im März 1996 begann die Serie der problemzentrierten Interviews, die sich aufgrund vielfältiger Hindernisse (siehe unten) bis in den Dezember 1996 hinzog. Im einzelnen wurden folgende Personen eingehend interviewt (durchschnittliche Interviewdauer: zwei Stunden):

Weitere Interviews waren angestrebt, teilweise auch schon angebahnt, kamen jedoch nicht mehr in der Laufzeit des Projekts zustande. Geeignete und kooperationsbereite InterviewpartnerInnen zu finden, erwies sich als extrem schwierig. Da die Erfordernisse des methodischen Konzepts jeweils die gezielte Suche nach KandidatInnen mit bestimmten Eigenschaften verlangten, die eben auch in der Reihenfolge nicht beliebig gegeneinander austauschbar waren, brachten Verzögerungen bei der Interviewanbahnung mit einem Interviewpartner jeweils den ganzen Prozeß in Verzug. Es erwies sich beispielsweise als unmöglich, einen gesprächbereiten männlichen Kandidaten im mittleren Alter zu finden, der das Kriterium erfüllte, wenig oder gar keine Bezüge zu ethnischen Organisationen zu haben. Das Problem war systematischer Art: Da nach übereinstimmender Ansicht aller zu Rate gezogenen Sachkundigen ein street picketing aussichtslos gewesen wäre (es konnten keinerlei Gratifikationen als Anreiz in Aussicht gestellt werden), blieb nur der Weg der Kontaktanbahnung über Mittelsleute. Da diese Mittelsleute jedoch selbst in aller Regel in irgendeiner Form eingebunden in ethnische Organisationen waren, erbrachten ihre Kontakte wiederum nur Menschen, die zum Umfeld dieser Organisationen gehörten. So blieb nur die zeitraubende Möglichkeit, Zufallsbekanntschaften und selbst entfernteste private Kontakte zu mobilisieren, was in zwei Fällen auch zu aussichtsreichen Vorbereitungsgesprächen führte. In beiden Fällen zogen sich d ie Angesprochenen jedoch zurück — der eine als er erfuhr, daß er gut zwei Stunden Zeit investieren müßte, der andere, als er hörte, daß das Interview aufgezeichnet werden würde.

Aber auch die Suche nach einer religiös orientierten, weiblichen Interviewpartnerin gestaltete sich insofern sehr schwierig, als bewußt die Rekrutierung einer Funktionärin eines Moschee-Vereins vermieden werden sollte. Allenfalls ein ‚einfaches‘ Mitglied eines solchen Vereins hätte den Kriterien entsprochen. Auch in diesem Fall scheiterten verschiedene Anbahnungsversuche, am Ende mußte als Kompromiß auf die Gesprächsbereitschaft der Ehefrau eines Funktionärs zurückgegriffen werden.

Insgesamt machte sich gerade bei der Interviewanbahnung die Streichung der festen türkischstämmigen ProjektmitarbeiterIn schmerzlich bemerkbar. Dieses Manko konnte trotz allem Engagement von Herrn Sarış und Herrn Aksoy wie auch der Hilfe seitens Dr. Suna Wölk nur zum Teil behoben werden.

Vor jeder Interviewsitzung wurde ein Kurzfragebogen zu den sozialstatistischen Daten (Geburtsdatum, -ort, Angaben zu Ehepartnern, Kindern, Geschwistern, Eltern, Beruf) gemeinsam mit dem/der Interviewten ausgefüllt. Die eigentlichen Interviews wurden vollständig auf Band aufgenommen, zusätzlich wurde ein Postscript zur Interviewinteraktion angelegt. Die Bandaufnahmen wurden wörtlich transkribiert. Die verwendete Transkriptionstechnik erfaßte auch — soweit inhaltlich erforderlich — Intonation sowie markante nichtsprachliche Interaktionen. Zwei Interviews wurden aufgrund der geringen Deutschkenntnisse der GesprächspartnerInnen (der Rentnerin und des Kochs) vom Bearbeiter gemeinsam mit Herrn Sarış auf Türkisch geführt. Diese beiden wurden vollständig in türkischer Sprache transkribiert und anschließend ins Deutsche übersetzt. Die Transkriptionsarbeit wurde zunächst von Hilfskräften durchgeführt und anschließend vom Bearbeiter am Orignalmaterial überprüft und, falls notwendig, korrigiert. Die in Türkisch geführten Interviews wurden zusätzlich von Herrn Aksoy bzw. von Herrn Sarış nochmals gegengehört. Zusätzlich erhielten die Interviewten eine Abschrift des Transkripts mit der Bitte zu berichten, ob ihnen Unstimmigkeiten auffielen.

Für die Auswertung der Interviews wurde eigens eine Arbeitsgruppe konstituiert, die sich aus dem Bearbeiter, Herrn Sarış, der wissenschaftlichen Hilfskraft sowie zwei weiteren Studierenden zusammensetzte, die zuvor schon bei der Erstellung des Leitfadens mitgewirkt hatten. Im Bedarfsfalle nahmen noch der Projektleiter bzw. Herr Aksoy an den Sitzungen der Auswertungsgruppe teil.

Sobald die Transkripte vorlagen, wurden sie vom Bearbeiter Satz für Satz paraphrasiert und methodisch kommentiert. Die so bearbeiteten Transkripte wurden anschließend in der Auswertungsgruppe eingehend diskutiert und korrigiert, bis über die inhaltliche Paraphrasierung und Kommentierung Einhelligkeit erreicht war. Hierbei wurden die Schlüsselstellen der Interviews herauspräpariert, die in einem weiteren Arbeitsschritt hermeneutisch Wort für Wort analysiert wurden. Bei Unklarheiten wurde auf das Originalmaterial zurückgegriffen und in der Arbeitsgruppe die entsprechende Bandpassage solange vorgespielt, bis die Zweifel ausgeräumt waren. Über alle Sitzungen wurde Protokoll geführt, die Protokolle wiederum bildeten die Grundlage für die Erstellung der jeweiligen zusammenfassenden Einzelfallanalysen. Für zwei dieser Einzelfallanalysen („Sağlam“ und „Güler“) hat Claudia Heinzelmann, eine studentische Mitarbeiterin der Auswertungsgruppe, die kurz vor dem Examen stand, die Mitautorenschaft, da sie auf Werkvertragsbasis ausführliche Textausarbeitungen erstellte, die als Grundlage für die Endfassungen dienten.

Ergänzende Datenerhebung
Während der Auswertung der problemzentrierten Interviews liefen die Recherchen zur geschichtlichen Formierung der türkischen communities in Hannover weiter. Insbesondere die Erforschung der 50er und 60er Jahre stand hier im Zentrum, weil offensichtlich in dieser Zeit die Entwicklung in Hannover aufgrund einer zahlenmäßig bedeutsamen studentischen Kolonie anders als in anderen vergleichbaren Großstädten verlaufen war. Da alle Bemühungen, Spuren des Wirkens der ersten türkischen Studentenorganisation „Türk Talebeler Cemiyeti“ (TTC) durch Recherchen im Archiv der ehemaligen TH und im Staatsarchiv oder durch Befragen von pensionierten Universitätsangestellten aufzufinden, vergeblich waren, wurde der mühsame Weg beschritten, die Namen sämtlicher Studentinnen und Studenten aus der Türkei von 1945 bis 1968 aus den handschriftlichen Matrikelbüchern der ehemaligen TH Hannover zu extrahieren. Anschließend wurde diese Liste mit den Adreßbüchern der Stadt Hannover abgeglichen, um den Kreis derjenigen zu ermitteln, die als Zeitzeugen noch für ein Expertengespräch zur Verfügung stehen. Am Ende konnte zumindest der Verbleib einer Person ermittelt werden, die im September 1996 telefonisch in Istanbul kontaktiert und interviewt wurde. Da dieser Zeitzeuge bei der Stiftung „Türk Alman Dayanışma ve Eğitim Vakfı“ (TADEV — eine Stiftung ehemaliger BRD-Studenten in der Türkei) aktiv ist, konnte er sehr detailreich berichten. Seine Informationen führten zu weiteren Zeitzeugen, ehemaligen Vorstandsmitgliedern des TTC, die allerdings erst im November und Dezember 1996 interviewt werden konnten, also unmittelbar vor Ablauf des Förderungszeitraums.

Eher unbefriedigend war dagegen der Erfolg einer anderen Recherche, die von Oktober bis Dezember 1996 mit Mitteln aus dem Zentralen Forschungsförderungsfond der Universität Hannover durchgeführt wurde: Studentische Hilfskräfte wurden eingesetzt, um die gesamten Jahrgänge der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung von 1960 bis 1975 auf Meldungen zur türkischen Migration nach Hannover zu sichten. Trotz sorgfältiger Durchführung dieses breiten Scans kamen erst ab 1971/72 Artikel in nennenswerter Zahl zum Vorschein. Allerdings ist auch dieses Negativ-Ergebnis für die 60er Jahre seinerseits ein Ergebnis, als es auf ein Desinteresse der Medien (und insofern wohl auch der öffentlichen Meinung insgesamt) an diesem Thema hinweist.

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Hinweis des Autors
Der vorliegende Text wurde 1999 als Abschlussbericht des Projekts „Gemeindestrukturbildung und ethnisches/religiöses Protestpotential bei türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen“ an die Förderinstitution fertigestellt und seither nicht publiziert. Die hier vorliegende Onlinefassung von 2020 stellt somit die Erstveröffentlichung dar. Das Copyright liegt beim Autor.

Fußnoten

Siehe die ausführliche Diskussion bei: Nassehi, Armin; Weber, Georg „Identität, Ethnizität und Gesellschaft. Über den Zusammenhang von ethnischer Selbstidentifikation und Gesellschaftsstruktur. Ein soziologischer Beitrag“ in: McArthur, Marilyn Zum Identitätswandel der Siebenbürger Sachsen. Eine kulturanthropologische Studie Köln, Wien 1990 S.249-338 (Studia Transylvanica Bd.16)
Bukow, Wolf-Dietrich; Llaryora, Roberto Mitbürger aus der Fremde. Soziogenese ethnischer Minderheiten Opladen 19932 S.170
Siehe z.B: Esser „Ethnische Differenzierung und moderne Gesellschaft“ S.244f
In diesem Punkt besteht weitgehende Übereinstimmung mit den Positionen von Bukow/Llaryora, Bommes, Bielefeld, Kürşat-Ahlers, Dittrich/Radtke u.a. (siehe Literaturliste). Kritisch zu sehen sind allerdings gelegentliche Überspitzungen wie etwa bei Bukow und Llaryora, die sich durch ihre Nähe zur radikalen labeling-Theorie ergeben. Siehe auch die Besprechung von: Ronge, Volker „Entstehung von ‚Ausländerproblemen‘ aus ethnomethodologischer Sicht [Rezension zu Bukow/Llaryora Mitbürger aus der Fremde]“ in: Neue Politische Literatur. Berichte über das internationale Schriftum Stuttgart 1989 (Jg.34 Heft 2) S.315-317
Elias, Norbert „Zur Theorie von Etablierten-Außenseiter-Beziehungen“ in: ders; Scotson, John L. Etablierte und Außenseiter Frankfurt a.M. 1990 S.7-56 (übersetzt von Michael Schröter; niederl. Erstveröffentl.: 1976); zur Rezeption Elias' in der Migrationsforschung siehe: Nowotny, Helga; Taschwer, Klaus (Hg.) Macht und Ohnmacht im neuen Europa. Zur Aktualität der Soziologie von Norbert Elias Wien 1993; darin besonders die Beiträge von Treibel, Bauböck und Waldhoff.
Elias „Zur Theorie von Etablierten-Außenseiter-Beziehungen“ S.26f
Siehe: Kürşat-Ahlers, Elçin „Das Stigma des Einwanderers. Über die Macht, Kultur und Abwehr in Einwanderungsprozessen“ in: dies. (Hg.) Die multikulturelle Gesellschaft: Der Weg zur Gleichstellung? Frankfurt/M. 1992 S.41-93
Siehe: Treibel, Annette „Etablierte und Außenseiter: Zur Dynamik von Migrationsprozessen“ in: Nowotny, Helga; Taschwer, Klaus (Hg.) Macht und Ohnmacht im neuen Europa. Zur Aktualität der Soziologie von Norbert Elias Wien 1993 S.62-71; hier: S.69f
Barth, Fredrik „Introduction“ in: ders. (Hg.) Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference Bergen, Oslo 1969 S.9-38; hier: S.14f
Schiffauer, Werner „Religion und Identität. Eine Fallstudie zum Problem der Reislamisierung bei Arbeitsmigranten“ in: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie Genf 1984 (Jg.10 Heft 2) S.485-516; ders. Die Migranten aus Subay. Türken in Deutschland, eine Ethnographie Stuttgart 1991; ders. Fremde in der Stadt. Zehn Essays über Kultur und Differenz Frankfurt/M. 1997 (Suhrkamp Taschenbuch Bd.2699)
Siehe hierzu auch: Bommes, Michael „Individualisierung von Jugend — ausgenommen Migrantenjugendliche?“ in: Migration. A European Journal of International Migration and Ethnic Relations Berlin 1992 (Nr.14) S.61-90
Obwohl Schiffauer nicht mit diesen Begriffen arbeitet, ist sein Ansatz verwandt.
Nökel, Sigrid „‚Ich habe ein Recht darauf, meine Religion zu leben.‘ Islam und zweite Migrantengeneration in Deutschland“ in: Werner, Karin; Schlee, Günther (Hg.) Inklusion und Exklusion. Die Dynamik von Grenzziehungen im Spannungsfeld von Markt, Staat und Ethnizität Köln 1996 S.275-303; dies. „‚Vielleicht bin ich sowas wie eine Emanze‘: Islam und Authenzität in Deutschland“ in: Feministische Studien Weinheim 1997 (Jg.15 Heft 2) S.6-22
Siehe z.B.: Morley, David; Robins, Kevin Spaces of Identity. Global Media, Electronic Landscapes and Cultural Boundaries London [u.a.] 1995; dies. „Almancı, Yabancı“ in: Cultural Studies London 1996 (Jg.10 Heft 2) S.248-255
Auf deutsch versammelt in: Hall, Stuart Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2 Hamburg 1994, darin vor allem folgende Essays: „Neue Ethnizitäten“, „Kulturelle Identität und Diaspora“, „Alte und neue Identitäten, alte und neue Ethnizitäten“ und „Die Frage der kulturellen Identität“.
Hall „Kulturelle Identität und Diaspora“ S.41
Den hier verwendeten Hegemonie-Begriff entlehnt Hall bei Gramsci, siehe: Hall, Stuart „Gramsci's Relevance for the Study of Race and Ethnicity“ in: Morley, David; Chen, Kuan-Hsing (Hg.) Stuart Hall. Critical Dialogues in Cultural Studies. A Collection of Writings by and about Stuart Hall London [u.a.] 1996 S.411-440
Die Betonung liegt hier auf „britisch“, weil die US-amerikanische Variante der Cultural Studies eine völlig andere Sache ist.
Siehe z.B.: Mecheril, Paul „‚Halb-halb‘. Über Hybridität, Zugehörigkeit und subjektorientierte Migrationsforschung“ in: Zeitschrift für Migration und Soziale Arbeit Frankfurt/M. 1997 (Jg.21 Heft 3/4) S.32-37
Das Arbeitsamt Hannover hat zwar seit 1960 Arbeitnehmer aus der Türkei, zumeist auch nach Geschlecht differenziert, als separate Rubrik in ihren Erhebungen geführt. Doch liegen ausgearbeitete Jahresstatistiken nur für die Zeit zurück bis 1975 vor, für die Zeit davor gibt es nur noch handschriftliche Rohdaten zu variierenden Stichdaten.
Weiterhin sind alle Angaben immer auf den Arbeitsamtbezirk bezogen, der viel größer als Hannover-Stadt ist, zumindest galt das für die meiste Zeit. Anfang der 60er Jahre bezogen sich die Zahlen noch auf Hannover-Stadt plus Großraum, dann jedoch wurden weitere Gemeinden hinzugenommen. Auch die Angaben über die Einwohnerzahl in diesem Arbeitsamtbezirk sind teilweise widersprüchlich.
Das BIVS betreibt seit den 80er Jahren ein „Beratungs- und Ausbildungszentrum für zugewanderte Gewerbetreibende“ und hat dadurch gute Kontakte in den Bereich. Es führte in der zweiten Hälfte der 80er Jahre auch ein Forschungsprojekt „Türkische Ökonomie in Berlin“ durch, doch steht die für 1989 angekündigte Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse auch 1999 noch aus. 1992 entstand zumindest die Ausstellung „Buyurun — Türkische Unternehmer in Berlin“ aus dem Material. Die Berlin-Ausgabe der tageszeitung veröffentlichte anläßlich der Ausstellung eine siebenteilige Artikelserie „Türkisches Wirtschaftleben in Berlin“ (4.2.1992 bis 11.4.1992).
Die Einträge im Vereinsteil des Adreßbuch der Stadt Hannover waren so hoffnungslos veraltet, daß sie nutzlos waren.
DFG-Projekt „Weltbild und Selbstverständnis einer islamisch fundamentalistischen Gemeinde türkischer Arbeitsmigranten“; die Veröffentlichung der Ergebnisse steht noch aus.
Gillespie, Marie Television, Ethnicity and Cultural Change London [u.a.] 1995 (Comedia series)
Yalçın-Heckmann, Lale; Unbehaun, Horst; Straßburger, Gabi Die türkischen Kolonien in Bamberg und Colmar — ein deutsch-französischer Vergleich sozialer Netzwerke von Migranten im interkulturellen Kontext Universität Bamberg 1998 (unveröffentlicher Abschlußbericht für die VW-Stiftung)
Schöning-Kalender, Claudia „Felderfahrungen in einem kulturwissenschaftlichen Forschungsprojekt mit türkischen Migrantenfamilien“ in: Hoffmeyer-Zlotnik, Jürgen H.P. (Hg.) Qualitative Methoden der Datenerhebung in der Arbeitsmigrantenforschung Mannheim 1986 S.171-201; dies. „Multikulturalität — Versuch über Dimensionen von Differenz“ in: Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich; Stederoth, Dirk (Hg.) Kultur-Theorien. Annäherungen an die Vielschichtigkeit von Begriff und Phänomen der Kultur Kassel 1993 S.183-193 (Kasseler Philosphische Schriften Bd.29)
Statt anderer sei verwiesen auf: Lamnek, Siegfried Qualitative Sozialforschung München [u.a.] 1988; Glaser, Barney G.; Strauss, Anselm L. The Discovery of Grounded Theory: Strategies for Qualitative Research New York 198011 (Erstveröffentl.: 1967); Bude, Heinz „Die individuelle Allgemeinheit des Falls“ in: Frank, H.-W. (Hg.) 22. Deutscher Soziologentag 1984. Beiträge der Sektions- und Ad-hoc-Gruppen Opladen 1985 S.84-86; Geertz, Clifford „Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur“ in: ders. Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme Frankfurt/M. 1983 S.7-43 (Übersetzung aus dem Englischen von Brigitte Luchesi und Rolf Bindemann)
Siehe: Glaser/Strauss The Discovery of Grounded Theory
Witzel, Andreas „Das problemzentrierte Interview“ in: Jüttemann, Gerd (Hg.) Qualitative Forschung in der Psychologie. Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder Weinheim [u.a.] 1985 S.227-255; ausführlicher zu den theoretischen Grundlagen: ders. Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Überblick und Alternativen Frankfurt [u.a.] 1982 (Campus Forschung Bd.322; zugleich: Dissertation Universität Bremen 1980)
Das Nichterreichen der Meßlatte bezieht sich ausschließlich auf das selbstgewählte Paradigma der Grounded Theory. Komparative Einzelfallanalysen sind außerhalb diese Paradigmas für die qualitative empirische Sozialforschung ein etabliertes und bewährtes Verfahren. Siehe z.B. die vielbeachteten Arbeiten von Schiffauer (Literaturliste)
Soeffner, Hans-Georg Auslegung des Alltags — Der Alltag der Auslegung. Zur wissenssoziologischen Konzeption einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik Frankfurt/M. 1989; darin vor allem: „Anmerkungen zu gemeinsamen Standards standardisierter und nicht-standardisierter Verfahren in der Sozialforschung“, S.51-65, und: „Überlegungen zur sozialwissenschaftlichen Hermeneutik am Beispiel der Interpretation eines Textausschnittes aus einem ‚freien‘ Interview“, S.185-210.
Siehe hierzu auch: Bude „Die individuelle Allgemeinheit des Falls“
Witzel Verfahren der qualitativen Sozialforschung S.108-113