Abschlussfahrt nach Sardinien 1976

Kreisel 2/1976:

„Durch das wilde Sardinien“

(Frei nach Karl May)

Foto © Max Behrendt

1976 Jahre nach der Geburt des Herrn, namentlich im Frühling, zog ein 30-köpfiger Trupp teutscher Ritter von des König Jucknats Tafelrunde, unter der weisen Leitung Sir Albert und des schwarzen Ritter Hagen, gen Süden die fernen Weiten der Steppe von Sardinien zu suchen, um die armen Sarden von dem schrecklichen Drachen des Devisenmangels zu erlösen.

Zu namentlichem Zweck bestiegen wir am Samstagabend, dem 24.4., das dampfende Stahlroß mit dem lieblichen Namen „Riviera-Express“. Die Zugfahrt dauerte etwa 16 Stunden und war sehr unbequem, da wir in den 2.-Klassewagen nur ca. 10 qm Schlaffläche zur Verfügung hatten. Nur wenige sahen was von den Alpen, das waren die, die um 4 Uhr immer noch, wegen Platzmangel, auf dem Gang dämmerten. 1200Uhr Ankunft in Genua. Gemäß unseren Absichten investierten die meisten sofort in italienischen Papierwerten; sprich Postkarten und Briefmarken.

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Die Wartezeit bis zur Abfahrt des Schiffes konnte zur Besichtigung der Stadt genutzt werden. Dies war aber etwas beschwerlich, da jeder rund 15 kg Marschgepäck auf dem Rücken hatte. Ausserdem nieselte es erst eine Stunde, dann knallte die Sonne mal zwei Stunden und danach regnete es wieder und so fort. Von Genua selbst hat unsere Gruppe eigentlich nur Elendsviertel gesehen. Nach zwei Stunden in der Wartehalle der Schiffahrtsgesellschaft, gingen wir an Bord und die meisten pennten in den engen Kabinen direkt bis zum nächsten Morgen. Ankunft in Porto Torres 800. Direkt umsteigen in einen Zug nach Sassari (größere Stadt im Norden Sardiniens). Dort wurden Lebensmittel gekauft, hauptsächlich: Reis, Spaghetti, Brot und Wein. Sammelpunkt war ein Park in der Stadt, wo ein erstes, größeres Palaver mit Einheimischen (Mädchen) abgehalten wurde. Die Leute geleiteten uns auch noch zum Bahnhof. Zugfahrt nach Ploaghe.

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In Ploaghe-Station (zwei Gleise mit einem Haus daneben) wurden die Wassersäcke aufgefüllt und dann gab es einen 45-Minuten-Fußmarsch zum Lagerplatz in freier Natur, der sich jedoch als Sumpfimitation herausstellte. Da sich das Ganze „Bildungsreise“ schimpfte, mußten wir an diesem Abend noch eine Kirche besichtigen (= 30 min hin und dasselbe zurück). Dann wurde gekocht und schließlich am Boden gehorcht.

Abmarsch am Dienstag um 830. Einige Mannen tat en sich dadurch hervor, daß sie schon eine Stunde früher zum Bahnhof trampten und sich gemütlich einen Tee kochten, während die anderen marschieren mußten. Dann aber zogen drei Mann aus, um Ploaghe zu besichtigen und wurden nicht mehr gesehen.

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Manni Neifer wurde von Sir Albert in den Stand eines stellvertretenden Chefpfadfinders erhoben und durfte die drei Nachzügler am Bahnhof abwarten, während die anderen sich mit der Bahn aufmachten, eine Nurage zu besichtigen. Das ist eine große Steinwohnanlage mit dreieckigem Grundriß und einem rundem Turm in der Mitte, deren Entstehungszeit um 1000 v. Chr. anzusiedeln ist.

Die Weiterfahrt von dort nach Oristano gestaltete sich schwierig, da erst 10 km bis zum nächsten Bahnhof mit Anschluß dorthin zu Fuß bewältigt werden wollten. Das gab einen Marsch von über zweieinhalb Stunden mit Gepäck in Bratofenhitze. In Oristano trafen wir wieder auf unsere Nachhut mit Manni, alle vier ziemlich besoffen.

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In der Bahnhofhalle stellte Manni sein Sprachtalent in dem Dienst der Gemeinschaft, Ergebnis: ein Riesenpalaver mit knapp 20 Italienern und ebensovielen Teutonen. Nach diesem Aufenthalt, ging es weiter mit dem Bus nach Torre Grande, wo wir uns in einem lichten Wäldchen niederließen. Die gesamte Crew war angeheitert und da machte das Zeltaufbauen im Dunkeln erst richtig Spaß.

Mittwoch morgens gab es ausnahmsweise keinen Aufbruch, aber über Mangel an Betätigung klagte nicht einer. Die Stadt Tharos sollte besichtigt werden. Diese Stadt, 12km von Torre Grande entfernt, ist phönizisch-römischer Herkunft und wurde bis 1000 n. Chr. bewohnt. Der Hafen und die Ansiedlung wurden durch Ausgrabungen freigelegt. Kanalisation, Straßen und auch Häuser waren gut zu erkennen. Es war geplant den Weg per Anhalter zurückzulegen, nur diese Idee fiel buchstäblich ins Wasser: es regnete. So mußten wir die ganze Strecke laufen, und so interessant Tharos auch war, die Hälfte der Leute gab, angesichts der 24 km, nach kurzer Zeit auf.

Ruinen von Tharros

Die wenigen Standhaften, die die volle Strecke gegangen sind, belohnten sich auf dem Rückweg mit einem erstklassigen Essen in einem Lokal auf Wegesmitte (typisch für Sardinien: in 12 km Umkreis kein Haus, aber mitten auf der Strecke ein Lokal). Den Streckenrekord stellten Trellenkamp/Neifer auf: 1 Std. 46 min. für 12 km Gehen. Den Abend verbrachte man mit Dösen, Teekochen, Schachspielen oder Füssewaschen im Meer. Nur einer vergnügte sich auswärts: Als er spät in der Nacht zurückkam, trampelte er Sir Alberts Zelt nieder, natürlich unabsichtlich!

Die nächsten zwei Tage wurden zu Sternstunden für die sardischen Verkehrsbetriebe. Donnerstag morgens mit dem Bus nach Oristano (Weinankauf), von Oristano mit der Bahn nach Iglesias (halbe Stunde Wartezeit – Supermarkt leergekauft), von Iglesias nach San Antioco mit dem Bus. In San Antioco erstmals die Orientierung verloren: Wir durchquerten die Stadt zweimal zu Fuß, bis der Weg hinaus gefunden war. Die Einheimischen bestaunten uns wie einen Zug wilder Affen. Endlich raus aus der Stadt lag noch ein einstündiger Gepäckmarsch bis zum Lagerplatz vor uns.

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Schließlich landeten wir in den „Dünen“, es herrschte schon Dämmerung. Dünen ist eigentlich übertrieben, es war mehr ein magerbegrünter welliger Sandstrand mit viel Müll. Den entdeckten wir aber erst am nächsten Tag, denn das Zelteaufbauen geschah bereits im Dunkeln. (An diesem Abend hat unsere Gruppe alle Vorräte verputzt.) Dieser Lagerplatz ist uns außerdem noch gut in Erinnerung, weil noch in der Nacht Trelle und Manni baden gingen, im finstersten Dunkel.

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Am Freitagmorgen folgten ihnen mehrere nach, so auch Sir Albert und der Schwarze Hagen. An selbigen Vormittag zogen wir dann wieder in die Stadt, die wir erst gestern im Schweiße unseres Angesichtes verlassen hatten. Mitten auf dem Marktplatz deponierten wir unsere Gestelle, und während Sir Albert sich einen Kaffee brühte, besichtigten wir punische Ausgrabungen mit dem Schwarzen Hagen als Führer.

Archaeologische Zone San Antioco

Zur verabredeten Zeit war kein Bus am Marktplatz, also entzündete Sir Albert kurzentschlossen die Flamme, sprich den Gaskocher, und seine Gruppe kochte sich ein Mittagessen. Unsere Gruppe zog eine Pizzeria vor. Mit dem Bus ging es etwas später weiter an die Südost-Spitze der Insel an den Strand. Da blieben wir 2-3 Stunden (ein paar Leute haben sich in einer Kneipe am Meer total besoffen, die mußten nachher fast in den Bus gehoben werden). Mit eben diesem Gefährt fuhren wir zum nächsten Bahnhof und von dort weiter mit der Bahn zu einer Station 30 km vor Calgari, der Hauptstadt.

Es war mal wieder dunkel und vier „freundliche“ Italiener leiteten uns in ein Wäldchen, in dem kaum genug Platz zwischen den Bäumen für unsere Zelte war. Dieselben Leute kamen gegen 2000Uhr mit fast 20 Liter Rotwein nochmal vorbei, um eine wüste Fete zu feiern. Unsere Gruppe zog es vor, die Schotten dichtzumachen, sich also unsichtbar zu machen. Die Gäste suchten deshalb die anderen Zelte heim und die wüste Fete fand dann auch statt. Am Samstag lagen so einige Wein- und Schnapsleichen von unserer Crew im Busch. Die „freundlichen“ Leute haben übrigens zum Abschied an allen Zelten Leinen durchgeschnitten.

Sagra di Sant Efisio

An diesem Sabbat nun, fand in Calgari ein großes Volksfest statt, deshalb machten, kurz nachdem wir mit dem Zug ankamen, alle Geschäfte dicht. So sahen sich die meisten von unserem Trupp die großen Trachtenumzügen an. Wir zogen es vor, im Hotel Italia drei Stunden lang vorzüglich zu tafeln und uns den Zug in der TV-live-Übertragung anzusehen.Der Rest des Aufenthalts verging mit Rumlatschen. Gegen 1800 Uhr hob unser Bus in Richtung Aussenbezirke ab und setzte uns kurz hinter der Stadtgrenze ab.

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Wir landeten in einem gutbesuchten „Drive-in-Stunden-Wald“, das war ein Wäldchen mit lichten Baumreihen, deren Abstand etwas größer als eine Fiat-Spurweite ist. In dieser Lokalität parkten ca. 200 Autos mit je einem Päarchen Inhalt. Die Leute dort nahmen uns es etwas übel, daß wir mitten in diesem Wäldchen unsere Zelte aufschlugen und selbst freundliches Zureden, so zum Beispiel das wirklich günstige Angebot ihnen unser Zelt für nur 1.000 Lire eine Stunde lang zu überlassen, konnte sie nicht bewegen zu bleiben.

Am nächsten Morgen waren noch Nachwirkungen der vergangenen Nacht bei einigen Leuten zu riechen, aber diesmal nicht Fusel, sondern Knoblauch! Alle, die am vorigen Abend in der Pizzeria gegenüber dem Wäldchen Fisch gegessen hatten, stanken fürchterlich. Allerdings kümmerte sich kaum einer drum, denn mitten im Packen gab es einen Wolkenbruch, der alles durch und durch weichte. Fluchend stiegen wir in den Bus, zurück in die Stadt. Damit begann die Rückreise. Die Zeit bis zum Abfahrt des Zugs um 1500 Uhr hatten wir frei zu unserem Amüsement.

Die meisten nutzten das zum Kauf von Bambusflöten und zwar in rauhen Mengen. Unser Spielmannszug erregte in den Strassencafés gelindes Staunen. Der Zug transportierte uns dann fünf Stunden lang quer durch die Insel zurück nach Porto Torres, dem Abfahrshafen. Aus dem Zug direkter Wechsel hinüber aufs Schiff, Abfahrt eine Viertelstunde später. Auf der Fähre wurde die 2.-Klasse-Kantine heimgesucht und leergefresen (es schmeckte sogar!) Manche von der Crew zogen mit einer Menge Italienern ein großes Besäufnis ab, das bis zum nächsten Morgen dauerte. Die anderen gingen früher ins Bett, um Schlaf zu tanken.

Pünktlich um 800 Uhr waren wir in Genua und hatten diesmal bis 1900 Uhr Aufenthalt. Um das „Bildungsprogramm“ abzurunden, besuchen wir ein archäologisches Museum ganz oben in der Stadt, was heißt, immer den Berg rauf, wenn man hin will. Diesmal sahen wir mehr vom gut bürgerlichem Genua, aber alles in allem ist es doch eine recht miese Stadt, alles enge und muffige Gassen. Ein letztesmal wurde Wirtschaftshilfe betrieben, wieder in Form von wertvollen Papieren, sprich echt italienischen Pornoheften, die es an jedem Kiosk zu kaufen gibt.

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Nach gründlichem Ausruhen im Park begann die Rückreise endgültig. Sir Albert hatte Abteile für uns reservieren lassen, die Belegzettel hingen auch gut sichtbar an allen Türen, nur die Abteile waren trotzdem alle besetzt! Mit unserem Kauderwelsch waren die Leute aber nicht zu überzeugen, auch Sir Albert versuchte sich vergeblich an der Sprachbarriere. Selbst die Schaffner konnten nur 4 Abteile räumen, eines der Abteile zeigte sich sogar den Argumenten der Bahnpolizei nicht zugänglich und die anschließende Schlägerei endete damit, daß der Hauptakteur in Handschellen abgeführt wurde. Der Rest der Reise verlief wie gehabt, keiner konnte richtig schlafen. Dienstag morgens um 1130 Uhr endete die Reise im Oberhausener Hauptbahnhof.

Günter Behrendt UI

Wegen der Größe des Jahrgangs fand drei parallele Abschluss-Fahrten statt, außer nach Sardinien konnte man auch nach Dänemark oder Prag fahren, wozu es jeweils eigene Galerien gibt.

1976: Dänemark-Abschlussfahrt

Ein Ausflug nach Kopenhagen und Roskilde mit Günther Stolz und Günter Settegast

1976: Abschlussfahrt nach Prag

Eine Städtereise mit Josef Giepen und Paul Gottlieb.